Es gelten die Mindestsätze der HOAI – EuGH entscheidet für Altfälle zugunsten des verbindlichen Preisrahmens der HOAI und zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien

In seiner seit Langem erwarteten Entscheidung über die Zulässigkeit von Honorar-Mindestsätzen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich gegen eine unmittelbare Wirkung europäischer Richtlinien im Verhältnis zu den Bürgern der Mitgliedsstaaten ausgesprochen und damit entschieden, dass für Altfälle weiterhin der verbindliche Preisrahmen der HOAI angewendet werden darf. Im August vergangenen Jahres haben wir darüber berichtet, dass Generalanwalt Szpunar dem EuGH empfohlen habe, in der Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs (BGH) (Rechtssache C-261/20) gegen die Anwendbarkeit des HOAI-Mindestsatzes zu entscheiden, weil die Dienstleistungsrichtlinie auch zwischen Privaten unmittelbare Anwendung finde (mehr lesen).

Dem vorangegangen war eine Entscheidung des EuGH in einem von der Kommission gegen die Bundesrepublik eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren (Az.: C-377/17), in welchem der EuGH am 14.07.2019 feststellte, dass der verbindliche Preisrahmen der HOAI gegen die bis zum 28.12.2009 in nationales Recht umzusetzende Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/RG) verstoße. Die Bundesrepublik Deutschland hat daraufhin mit der HOAI 2021 den verbindlichen Preisrahmen für Verträge, die ab dem 01.01.2021 geschlossen werden, abgeschafft.

Für Verträge, die vor dem 01.01.2021 geschlossen wurden, entbrannte jedoch ein Meinungsstreit unter den Oberlandesgerichten, ob für solche Altfälle – trotz des Verstoßes gegen die Dienstleistungsrichtlinie – weiterhin der in der Altfassung der HOAI geregelte verbindliche Preisrahmen der HOAI angewendet werden dürfe.

In einem Aufstockungsverfahren rief der BGH erneut den EuGH an (Az.: VII ZR 174/19) und bat um Beantwortung der Frage, ob die europäische Dienstleistungsrichtlinie in einem Rechtsstreit zwischen Privatleuten, in dem die Geltung des verbindlichen Preisrahmens der HOAI in Streit steht, unmittelbar anwendbar ist.

Der EuGH hat nun mit Urteil vom 18.01.2022 (Rechtssache C-261/20) über die Vorlagefrage des BGH entschieden und der Empfehlung des Generalanwalts eine Absage erteilt. Der EuGH begründet das damit, dass sich eine Richtlinie der Europäischen Union – anders als eine Verordnung – nur an den Mitgliedsstaat richte und folglich nur zu einer mittelbaren Anwendung zwischen Privaten führe. Auch das Vertragsverletzungsurteil richte sich nur an die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat und diene nicht der Verleihung von Rechten an Bürger. Die vom EuGH früher selbst aufgestellte Ausnahme, wonach eine Richtlinie ausnahmsweise zu einer unmittelbaren Anwendung zwischen Privaten führen könne, wenn eine Richtlinie einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts konkretisiere, spricht der EuGH dagegen nicht an und weist auch die darauf abzielenden ergänzenden Vorlagefragen des BGH als unzulässig ab.

Aus der Entscheidung des EuGH folgt, dass für alle bis zum Inkrafttreten der HOAI 2021 geschlossene Architekten- und Ingenieurverträge weiterhin die bis dahin geltende Fassung der HOAI und somit der verbindliche Preisrahmen angewendet werden darf. Ein Architekt oder Ingenieur darf danach als Vergütung für die von ihm erbrachten Leistungen abweichend von einer vertraglichen Regelung den HOAI-Mindestsatz verlangen.

Das Urteil des EuGH wirkt sich somit auf zahlreiche ruhend gestellte oder aufgrund der bislang unsicheren Rechtslage noch nicht erhobene Aufstockungsklagen aus, die nun allesamt entschieden werden können.

Fabienne Uhlar
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